Ein Interview mit Paula Heruth von Ulrike Schmidt

 

Ein Interview mit Paula Heruth von Ulrike Schmidt

von 2009

- Und wie kann nun "Stimme" eigentlich heilen?

Shiatsu Paula Heruth

Vielleicht ist es uns selten bewußt, daß es etwas sehr Heilendes hatte, wenn unsere Mütter uns Schlaflieder gesungen haben, wenn wir Angst hatten, oder sie "Heile, heile Segen" gesungen haben, und wir danach beruhigt waren oder getröstet und keinen Schmerz mehr gespürt haben.
Wenn ich jetzt für Patienten singe, hat das manchmal auch so eine Komponente, oder auch im Kurs besingen wir uns aus einem liebenden Herzen heraus, was sehr berührend sein kann.
Beim Singen und auch beim Besungen werden, werden Glückshormone ausgeschüttet, Oxytocin, Melatonin und das Immunglobulin A erhöht sich signifikant. Wir fühlen uns glücklicher, verbunden mit den anderen, entspannter, unsere Abwehrkraft erhöht sich, Schmerzen werden gedämpft und wir können besser schlafen.
Wir können uns mit unserer Stimme auch unterschiedlichen energetischen Mustern nähern, wir können Verspannungen, Blockierungen besingen oder für leere Bereiche tönen, wir können Gelenke, Organe, Meridiane oder Chakren besingen. Die Rituale des Singens, Tönens, Chantens gibt es in allen alten Kulturen, die Schamanen, die Priester, die für Heilung und spirituellen Wandel gesungen haben.
Mit unserer erweiterten Wahrnehmungsfähigkeit, die wir uns durch das Shiatsu erarbeitet haben, können wir spüren, ob ein Bereich resoniert auf die Schwingung und sich dann anpasst, sich in die Körper-Seele-Geist-Einheit einfügt. Mit dem Singen können wir erfahren, dass alles verbunden ist, wir können es körperlich fühlen. Auch beim Tönen in der Gruppe schwingen wir uns nach längerem Singen aufeinander ein bis eine Harmonie und eine Einheit entsteht, ein gemeinsames Lied.

- Kann sich der Klient nicht auch "peinlich" berührt fühlen?

Das Feedback, dass es peinlich war, habe ich noch nicht bekommen, eher das Gegenteil, dass die Besungenen sich genährt, geliebt und gehalten fühlen. In einer Behandlung bitte ich meine Patienten, mir sofort zu sagen, wenn etwas nicht angenehm ist, wenn mein Tönen ihnen zum Beispiel zu laut ist, genau wie ich es auch mit der Berührung halte.

- Wie hast Du entdeckt, dass Du zusätzlich zum Shiatsu mit Deiner Stimme "Energie" bewegen kannst?

Erst mal hab ich das an mir selbst gespürt, z.B. wie ich plötzlich fröhlicher geworden bin, wenn ich gesungen habe, oder ich danach mehr Kraft und Fließen in mir gespürt habe und meine Haltung sich verändert hat, ich mich mehr aufgerichtet habe und andere mich strahlender und schöner gesehen haben und ich eine ganz andere Präsenz und Erdverbundenheit und Zufriedenheit gespürt habe in mir. Schon allein deswegen lohnt es sich jeden Tag zu singen.
Seit ein paar Jahren beschäftige ich mich mit Medialität und Geistigem Heilen, weil ich aus einem anderen Blickwinkel mehr über Arbeit mit Energie wissen wollte. Gelernt habe ich bei Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund auch in England, die ja eine andere Heiler- und Medien-Kultur haben wie wir. Das Singen für die Heilung auch in Trance Zuständen hat dort begonnen und mich seitdem nicht mehr losgelassen, weil es zwei alte Leidenschaften von mir verbindet - Singen und Shiatsu. In unserer Shiatsu-Ausbildung hat das Singen von Chants und spirituellen Liedern oder Weltmusik schon immer einen Platz und seit ein paar Jahren erforsche ich jetzt die Wirkung des Besingens und Tönens von Meridianen, Energiefeldern und energetischen Zuständen und integriere das in mein Shiatsu.
Wenn ich zum Shiatsu töne, bekomme ich das Feedback, dass die Menschen sich leichter und tiefer entspannen können, dass die Arbeit noch andere Ebenen erreicht, dass Emotionen leichter in Fluß kommen und dass das Gefühl der Verbundenheit in sich und mit der Welt intensiver wird.

- Bringst Du in das Wochenende auch etwas von Deinen schamanistischen Singerfahrungen mit ein?

Wenn du damit meinst, sich einzutunen auf eine Person, oder in Resonanz zu gehen oder auch eine mediale Verbindung aufzunehmen und dann in der Gruppe für die Heilung oder Wandlung für einen Menschen zu tönen, oder auch manchmal Geräusche zu machen, dann ja. Das ist etwas für den 2. Tag, wenn wir miteinander mit dem Tönen schon warm geworden sind.

Am 1. Tag geht es mehr um Eigenerfahrung beim gemeinsamen Tönen, um Übungen für die Lösung und Befreiung der Stimme und um etwas Theorie.

- Dein Vater war Balletttänzer an der Deutschen Oper Berlin. Wart Ihr also auch eine im klassischen Sinne "musikalische Familie"?

In dem Sinne, dass wir zu Hause viel Opern- und Ballettmusik gehört haben, mein Vater Lieder und Arien gesungen hat oder Tonübungen gemacht hat und ich Blockflöte, Querflöte gespielt und gesungen habe in Schulorchestern, Chören und Bands.

- Was hattet und habt ihr für "Singrituale"?

Stundenlanges Weihnachtslieder singen mit der ganzen Familie. Mit meiner Mutter und manchmal auch mit meiner Oma haben wir mehrstimmige Volkslieder gesungen in der Küche beim arbeiten, was ich sehr geliebt habe.

Das Singen hat mich mein ganzes Leben lang begleitet: klassischer Gesangsunterricht, Rockmusik, Folkrock, Schulmusikstudium, Weltmusik, Hausmusik

- Und hast Du nie erniedrigende Erfahrungen/Situationen (in der Schulzeit) erlebt?

Ich hatte Glück, ich war auf der Carl Orff Grundschule und hatte wohl auch gute Lehrer. Wir haben sehr viel Musikunterricht gehabt und vor allem sehr viel Spaß beim gemeinsamen Musizieren mit Orffschem Instrumentarium. Auch gab es jedes Jahr große Schulaufführungen, für die wir viel geübt haben.

- Und was ist, wenn wir TeilnehmerInnen vor lauter Blockaden keinen Pieps herausbringen?Ich selbst wäre in Sorge, dass ich durch das Singen in der Gruppe in meinen eigenen Psychofilm abrutsche. Ich musste in der dritten Klasse vorsingen, brach in Tränen aus und bekam dafür eine Vier. Dadurch fühl ich mich immer noch traumatisiert. Ist der Kurs also etwas für mich?

Leider bist du nicht die einzige mit einer Scheu zu singen oder zu tönen, meine Schwester musste auch in der Schule so etwas erfahren. In meinen Gruppen habe ich immer wieder Menschen, die das Gefühl haben, nicht singen zu können, das schöne ist, dass sich dieses Gefühl im gemeinsamen Wahrnehmen von den Tönen im eigenen Körper verliert und die Menschen anfangen ihre Stimme zu befreien von solchen Vorstellungen. Außerdem tönen wir gemeinsam und es wird kein „Vorsingen" geben. Beim Tönen und Besingen kann es kein falsch und kein richtig geben und das befreit auch. Wenn gemeinsam getönt wird, entwickelt sich meist aus einer anfänglichen Kakophonie ein schöner harmonischer Klang, weil wir uns langsam aufeinander einschwingen und unsere Felder in einen Gleichklang kommen. Aber auch wenn es richtig schräg und schaurig klingt, ist es von ganz besonderem Reiz und führt manchmal zu schöner Gänsehaut.

- Als Du im letzten Jahr auf unserer Absolventenfeier italienische Liebesarien aus dem Mittelalter vorgesungen hast, hatten angesichts der Schönheit Deiner Stimme, etliche von uns Tränen in den Augen - wusstest Du das?

Ja, ich habe es gesehen und das ist das Schönste, was mir passieren kann, dass ein Lied berührt und da kommt auch das Weinen her vom eigenen berührt sein.

Liebe Paula, vielen Dank für das Interview!

 

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