von 2009
Anne Frederiksen: Du warst einer der ersten, der in Großbritannien mit Shiatsu in Kontakt kam. Wie hat sich das ergeben?
Paul Lundberg: Zuerst durch Makrobiotik. Ich gehörte zu einer kleinen Gruppe von Freunden, die in meiner Heimatstadt Brighton einen Naturkostladen betrieben. Wir interessierten uns sehr für die makrobiotische Philosophie - auf diese Weise hörten viele von uns zum ersten Mal etwas von Yin und Yang -, und Shiatsu als Teil der japanischen Tradition wurde durch die makrobiotische Bewegung bekannt gemacht. Mein erster Shiatsulehrer war Bill Tara, Direktor des Makrobiotikzentrums in London. Er zeigte uns 1974 an einem Wochenende in Brighton einige Basistechniken, und ich war sofort Feuer und Flamme. Damals war jegliche Art von Massage so gut wie unbekannt. Nach dem Wochenende fuhr ich dann regelmäßig nach London zu Bills Abendkursen, die in einer kleinen Dachstube stattfanden. Wir experimentierten auch ein wenig mit Moxa. Alles war sehr neu, alles war sehr fremd.
Anne: Damals gab es noch keine wirkliche Ausbildung, das Arbeiten war mehr physisch. Wann kam der energetische Aspekt hinzu?
Paul: Für mich war es über die Jahre ein Prozess, der sich allmählich entwickelte. Zuerst begann ich Schriften über Fernöstliche Medizin zu lesen und zu studieren, lernte etwas über Meridiane usw. Dann lernte ich Akupunktur und begann, etwas mehr über die subtile Komplexität von Qi als vitaler Kraft im Körper und in der Natur zu verstehen. Neben der Akupunktur lernte ich auch weiter Shiatsu, aber die Möglichkeiten waren begrenzt. Während jener Zeit begann ich T'ai Chi zu praktizieren, und nach etwa drei Jahren hatte ich zum ersten Mal ein subjektives Gefühl von Qi, ich spürte etwas in den Händen und im Körper. Damit änderte sich alles: Akupunktur, Shiatsu, eben alles, was ich bisher auf dem Gebiet gemacht hatte. Qi Gong war seit langem ein fester Bezugspunkt für mich gewesen.
Während der späten siebziger und frühen achtziger Jahre begannen die Leute im allgemeinen, die Konzepte von Ki oder Qi mit den Begriffen Lebenskraft oder Bioenergie zu vermischen. Zu der Zeit befanden sich alle Arten von Körper-Geist-Therapien in einer experimentellen Phase. Heutzutage sprechen wir, wenn wir Energie oder Energiearbeit meinen, von Dingen, die von subtiler, feiner Natur sind. Meiner Meinung nach ist der Begriff „Energie"begrenzt und verwirrend zugleich. Ich ziehe es vor, bei Ki oder Qi zu bleiben oder andere Übersetzungen zu finden, die die feinen kulturellen Schichten unserer Arbeit vermitteln.
Anne: Welche japanischen Lehrer haben Dich besonders beeinflusst?
Paul: Diese Frage ist leichter zu beantworten. Die Workshops mit Wataru Ohashi zeigten mir zum ersten Mal, dass Shiatsu etwas ist, das man mit seinem ganzen Körper tut. Mit dem Hara! Pauline Sasaki lehrte mich fast alles, was ich über Masunagas Stil und seine Ansätze weiß. Pauline war eine große Inspiration für mich, und sie half mir, viele Einflüsse und Richtungen zu vereinigen. Am meisten aber bin ich Akinobu Kishi zu Dank verpflichtet, den ich die Ehre habe, seit 1981 als Lehrer und Freund zu kennen. Sein Einfluss auf mein Leben und meine Arbeit war sehr tiefgehend. Für mich ist er ein wahrer Meister.
Anne: Was bedeutet für Dich Heilung im Shiatsu?
Paul: Ich weiß nicht. Vieles. Vielleicht Wandel, Bewegung, Entwicklung, Akzeptanz. Heilung ist ein Prozess, ist Teil des Lebens. Sie setzt sich fort im Körper, im Geist, in der Umgebung. An bestimmten Punkten aber gibt es immer wieder Unterbrechungen oder Blockaden. Wenn wir uns selber als Zentrum aller Dinge sehen, mag das Bild, mag das Gefühl anders sein. Betrachtet man Shiatsu für sich, ist es nur eine Kleinigkeit im großen Mahlstrom des Lebens, es dient aber dazu, uns mit einem Leben in Harmonie zu verbinden, und wenn das geschieht, ist Shiatsu keine Kleinigkeit mehr, sondern etwas sehr Großes. In unserer Arbeit sollten wir immer Demut und Ehrlichkeit zeigen und uns viele viele Fragen stellen.
Anne: Was ist der wichtigste Aspekt, damit Heilung geschehen kann?
Paul: Verbindung, Kommunikation.
Anne: Da Du auf Teneriffa lebst, die Frage, wie fügt sich Shiatsu dort in Dein Leben ein?
Paul: Auf ganz praktische Weise. Shiatsu ist hier keine so große Sache. Ich annonciere nicht, habe keine Praxis, gebe aber in meinem Haus Behandlungen und Privatstunden, wenn ich gefragt werde. Im übrigen reise ich viel, und meine Zeit auf der Insel nutze ich zur Erholung. Und ich genieße das Leben mit meiner Partnerin. Ich schreibe sehr gern, nutze meine freie Zeit, um an meinen Artikeln und einem neuen Buch zu arbeiten.
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