Ich sehe keinen Grund mit Shiatsu aufzuhören
Ein Interview mit Helga Krimphove von Ulrike Schmidt (2012)
Liebe Helga,
im Erstberuf bist Du Zahntechnikerin. Was faszinierte Dich denn am `Handwerk´ Shiatsu?
Shiatsu hat mich gleich begeistert, als ich davon gelesen hatte, in einem Buch von Ohashi. Seit einiger Zeit schon war ich auf der Suche nach einer neuen Berufung, denn die Arbeit in geschlossen Räumen mit künstlichem Licht und diversen Lärmquellen hat mich nicht mehr zufrieden gestellt.
Und Shiatsu ist nun mal Körperarbeit im wahrsten Sinne des Wortes: mit meinem Körpereinsatz am Körper anderer zu arbeiten. Und den anderen Menschen auf allen Ebenen zu berühren. Etwas Gutes zu tun, indem ich mir und Anderen die Chance gebe, das eigene Leben zu bereichern, und zufrieden sein zu können - das ist mein Anliegen.
Du warst GSD-Vorstandsmitglied der 1. Stunde. Was hat Dich damals motiviert, dieses Ehrenamt zu übernehmen?
Diese Frage von Dir finde ich sehr interessant. Ich habe zu einer Vorstandssitzung einmal darum gebeten, dass wir uns gemeinsam genau über diesen Punkt austauschen. Leider hatten wir inzwischen ein derartiges Arbeitspensum bei diesen Sitzungen, dass dafür keine Zeit blieb.
Nun, ich wollte in erster Linie im Kontakt sein mit anderen, die diesen Weg auch gehen. Darum bin ich stundenlang getrampt, um zu den Treffen zu kommen, die damals immer bei einer Person von uns statt fanden. Später wurden unsere Treffen dann professioneller und wir haben uns relativ zentral in Deutschland zusammengefunden.
Auch anderen Shiatsu-Praktiker-innen die Möglichkeit des Kontaktes, des Austausches und der Informationen zu geben, das war für mich der Sinn unserer Treffen, um einen Berufsverband zu gründen.
Du betreibst in Kiel eine von den sogenannte `Freien´ Shiatsuschulen, also eine Schule, die keine GSD-anerkannte Ausbildung anbietet. Was unterscheidet Dein Konzept von dem der "GSD-Schulen"?
Da sich mein Arbeitsfeld inzwischen durch "Ferien vom Krieg" verändert hat, biete ich in Kiel keine Ausbildung zur Shiatsu-Praktiker-in mehr an. Mein Ausbildungskonzept hatte sich allerdings von den Unterrichtsstunden, -inhalten und -methoden nicht von den Standards der GSD unterschieden.
Was war Dein Impuls eine eigene Shiatsuschule zu gründen?
Seit 1989 habe ich Shiatsu-Kurse gegeben. Eins meiner Anliegen war, diese Methode der Begegnung zweier Menschen weiter zu geben, damit die Menschen Shiatsu im Miteinander in ihrem Alltag nutzen können. Shiatsu war der Mittelpunkt meines Lebens. Und diese wunderbare Erfahrung wollte ich mit anderen teilen. Es hat mir Spaß gemacht, es war aufregend und anregend, andere Menschen in ihrem Lernen zu begleiten. Nach einigen Jahren unterrichten in Hamburg an der Schule von Wilfried hatte ich beschlossen, eine eigene Ausbildung in Kiel anzubieten. Das bedeutete dann, über mehrere Jahre kontinuierlich eine Gruppe von Menschen zu begleiten, und außerdem auch noch andere Shiatsu-Lehrer-innen zu engagieren und mich mit ihnen über die jeweilige Gruppe auszutauschen. Das hat mir Freude gebracht und Zufriedenheit.
Früher gab es mal eine rege Vernetzung unter Euch `individuellen´ Shiatsuschulen in Deutschland, sogar eine gemeinsame Broschüre habt Ihr gedruckt. Was ist daraus geworden?
Mit der Einstellung meiner Ausbildungskurse habe ich den Kontakt nicht mehr aufrecht gehalten.
Bist Du einsam, so hoch im Norden? Kommen auch mal Dänen zu Dir in die Ausbildung?
Hier bei uns in Schleswig-Holstein gibt es viele Shiatsu-Praktiker-innen. Ich habe glücklicherweise zu einigen von ihnen Kontakt, freundschaftlich, zum Austausch, oder auch mal einfach mich behandeln zu lassen. Auch Supervision und Intervision findet statt. Tatsächlich gab es auch schon mal Dänen in meinen Ausbildungsgruppen.
Schleswig-Holstein hat immerhin drei aktive GSD-Regionalgruppen, eine davon direkt in Kiel. Habt Ihr eine Form der Zusammenarbeit?
Es ist mir fast ein bisschen peinlich, eingestehen zu müssen, dass ich bisher noch nicht die Zeit gefunden habe, bei einem Regionaltreffen in Kiel dabei zu sein. Das liegt aber nicht an der Leiterin der Regionalgruppe, denn von ihr bekomme ich immer mal wieder Informationen über die Termine. Glücklicherweise habe ich auch außerhalb der Regionalgruppe Kontakt zu ihr, und wie bereits erwähnt, auch zu einigen anderen Shiatsu-Praktiker-innen in und um Kiel. Sehr glücklich bin ich beispielsweise auch darüber, dass unser vor einigen Jahren von fünf Shiatsu-Praktiker-innen gemeinsam geplantes Projekt "Shiatsu im Frauenhaus" immer noch aktiv betrieben wird, obwohl unsere damaligen Pläne, für diese Arbeit eine Sponsorin zu finden, gescheitert waren.
Und mal ganz neugierig: kannst Du finanziell vom Shiatsu leben?
Ich habe viele Jahre mein Leben mit bzw. durch Shiatsu finanziert. Das war mir wegen meiner zwei Standbeine möglich: behandeln und unterrichten. Die Shiatsu-Ausbildungen nicht weiter zu führen war auch deshalb möglich, weil sich für mich neue Quellen aufgetan hatten, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Du bist seit vielen Jahren sehr engagiert im Projekt "Ferien vom Krieg". Wie kam es dazu und gibt es das heute immer noch?
Hm, das ist eine Frage, zu der ich nun ein sehr sehr lange Antwort geben könnte, und auch gerne würde. Aber das sprengt wohl den Rahmen dieses Interviews. Also nutze ich die Gelegenheit und mache hier auf das Buch aufmerksam, das von Susanne Löhner-Jokisch herausgegeben ist. Der Arbeitstitel lautet Gesundheitsförderung mit Shiatsu, geschrieben haben verschiedenen Shiatsu-Lehrerinnen der GSD sehr interessante Artikel über unterschiedliche Arbeitsbereiche mit Shiatsu. Für dieses Buch hatte ich die Gelegenheit über die Arbeit bei "Ferien vom Krieg" zu schreiben.
Im Herbst 1999 hatte ich das erste mal von "Ferien vom Krieg" gehört, weil Johannes Daniel Heinzerling bei dem Projekt im Balkan während des Sommers mitgearbeitet hatte und im Shiatsu-Journal darüber berichtete. Im Sommer 2000 war ich das erste Mal im Balkan selbst mit dabei. Und die Arbeit dort hat mich sofort begeistert. Ich habe der Koordinatorin des Projektes vom Komitee für Grundrechte und Demokratie, angeboten, dass ich mich dafür einsetze, dass alle Ferienfreizeiten mit Shiatsu begleitet werden. Seitdem koordiniere ich die Shiatsu-Praktiker-innen für "Ferien vom Krieg". Und habe selbst dort, wenn ich die Zeit zusammenzähle, inzwischen bald ein Jahr mit Shiatsu gearbeitet.
Was hat Dich in den vergangenen zwei Jahrzehnten besonders bewegt? Was hat Dich getragen, auch durch mögliche schwierige Phasen?
Oh, eine sehr persönliche Frage. Aber warum nicht, dann plaudere ich mal aus dem Nähkästchen.
Meine Vorstandsarbeit hatte ich nach sechs Jahren wegen einer Krebserkrankung aufgegeben. Und in gewisser Weise das Angebot der Shiatsu-Ausbildung auch. Bei der Gesundung, und sowieso in meinem Leben, ist mein spiritueller Weg grundlegend. Immer wieder gibt und gab es Wesen, die mir beistehen, und die mir dabei helfen, anderen beizustehen.
Dem Schmerz in der Trauer um geliebte Menschen, die aus dem Leben gegangen sind, Füße zu geben, Bodenhaftung also und Wurzeln, die in den Grund wachsen können, hilft mir, die Sinnhaftigkeit meines eigenen Lebens wahrzunehmen.
Als Stütze spüre ich immer wieder Menschen um mich herum, die da sind, Verständnis haben, mich trösten, mich aufmerksam machen, mich lieben und mich lieben lassen. Ja, das ist sehr wichtig!
Helga, in unserem Alter ist die Hälfte unseres Lebens definitiv vorbei. Was planst Du mit der verbleibenden Zeit zu tun? Wird es eine Zeit "nach Shiatsu" geben…?
Als ich während meiner Kindheit leider feststellen musste, dass ich in der Schule nicht wirklich fürs Leben lernen konnte, sondern die Anforderungen der Lehrer zu erfüllen hatte, habe ich mich damit getröstet, dass ich ja noch mein ganzes Leben Zeit habe, weiter zu lernen. Und das macht mir auch heute noch sehr viel Freude!
Es gibt so einiges, bei dem ich manchmal im Scherz sage: "Wenn ich das nicht mehr mache, dann könnt ihr bitte den Deckel zu machen". Und dazu gehört eben: Lachen, Singen, Spielen, Lernen...
Ob ich jemals mit Shiatsu aufhören werde? Ich hoffe nicht! Manchmal staune ich über mich selbst, wie lange ich das nun schon mache. Und immer wieder bin ich nach einer Behandlung zutiefst zufrieden und dankbar.
Zur Zeit habe ich ziemliche Knieprobleme. Anfangs dachte ich: "Auf der Liege arbeiten? Ohne mich!" Aber inzwischen genieße ich auch die Arbeit auf der Liege. Der Kontakt zu Menschen ist für mich lebenswichtig. Die Möglichkeit, die Shiatsu mir bietet, mit anderen Menschen oder auch mit Tieren in Kontakt zu kommen, schätze ich sehr. Ich sehe, zumindest zur Zeit, keinen Grund damit aufzuhören.
Trotzdem habe ich also noch weitergelernt nach Shiatsu, andere Formen von Körperarbeit, Friedensfachkraft, Mediation..... Ich denke also, ich bin noch nicht fertig mit Lernen.
Und bin schon ganz neugierig, was mir an Interessantem noch im Leben begegnen wird.
Liebe Helga, vielen Dank für das Interview!
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